Planung, Finanzierung und Bau einer Versorgungsanlage für die Clinica Chocruz, Guatemala

Das Bruttoinlandsprodukt Guatemalas betrug im Jahr 2009 etwa 37 Milliarden Dollar, wovon nach Angabe der WHO 5% in die öffentliche Gesundheit investiert wurde. Im Vergleich dazu wurden 2009 in Deutschland etwa 10% des Bruttoinlandprodukts von etwa 3.352 Millirarden Dollar für die öffentliche Gesundheit aufgewendet. Die Lebenserwartung in Guatemala beträgt im Durchschnitt 70,8 Jahre und ist somit deutlich geringer als etwa in Deutschland mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 80 Jahren.

Die geringen Investitionen in das Gesundheitssystem haben zur Folge, dass der Zugang zu medizinischen Einrichtungen, insbesondere für die ländliche Bevölkerung, im Allgemeinen sehr schlecht ist. Oft haben die Menschen weite Entfernungen zurückzulegen, um das nächste Krankenhaus erreichen zu können. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Straßen weder asphaltiert, noch planiert sind. Motorisierte Fortbewegungsmittel sind vor allem auf dem Land nur selten vorhanden.

Hinzu kommt der oft unzureichende Zustand diverser Infrastrukturen, im Besonderen der Sanitäranlagen und der Trinkwasserversorgung. Defizite in diesem Bereich sowie die oft chronische Mangelernährung und fehlende Präventivmaßnahmen führen zu den, laut einem ENSMI-Bericht typischen Krankheitsbildern, zu welchen Infektionskrankheiten, chronische Atemwegserkrankungen und Diarrhö zählen.

In der Projektregion Chocruz wohnen vorwiegend indigene Menschen. Wie in vielen Teilen des Landes werden sie sozial und ökonomisch benachteiligt, was zu Spannungen zwischen der indigenen und der nicht-indigenen Bevölkerung führt. Das Erwerbseinkommen der Indigenen, hauptsächlich bäuerlichen Gesellschaft ist im nationalen Durchschnitt sehr gering.

Kulturelle Unterschiede und die traditionelle Einstellung der indigenen Bevölkerung – zum Beispiel die Geburt im eigenen Haus ohne medizinische Betreuung – verhindern die Versorgung bei gesundheitlichen Problemen. In Gesprächen mit einheimischen Ärzten, der Bevölkerung und lokal aktiven NGOs hat sich heraus gestellt, dass indigene Menschen schlechter behandelt werden. Häufig begegnet medizinisches Personal diesen marginalisierten Minderheiten mit Arroganz und diskriminierendem Verhalten. Die Akzeptanz und das Vertrauen in medizinische Einrichtungen vor allem unter der Bevölkerung der Bergregionen ist dem entsprechend sehr gering.

Durch Gespräche mit der lokalen Bevölkerung und NGOs in Guatemala stellte sich heraus, dass die Frauen und Männer keine gleichberechtigte Stellung in der Gesellschaft und innerhalb der Familie einnehmen. Durchschnittlich vier Kinder pro Frau in Guatemala und bis zu acht Kinder pro Frau in unserer Projektregion bedeutet eine starke Definition der Frau über die Familie und weniger über die persönlichen Vorstellungen. Neben der zunehmenden familiären Belastung der Frau durch die Familie steigt auch das gesundheitliche Risiko durch jede Geburt, da Kinder nicht selten bis ins hohe Alter geboren werden.

Die Angaben zur Kindersterblichkeit pro 100 Geburten bis zum fünften Lebensjahr schwanken zwischen 3,2 und 6,1 Kindern von 100 Lebendgeborenen. In der Projektregion Totonicapan beträgt die Sterblichkeit von Kindern unter 5 Jahren laut ENSMI Bericht 5,8% und ist somit deutlich höher als etwa in Deutschland mit 0,4% oder dem nördlichen Nachbarn Guatemalas Mexiko mit 1,7%.

Vor allem das sehr starke Stadt-Landgefälle im Bereich des Zugangs zu Einrichtungen der Gesundheitsversorgung, in welchem auch die Unterrückung der indigenen Minderheiten durch die urbane Mehrheitsgesellschaft zum Ausdruck kommt, hat die Aktiven von Mirador bewogen, sich in der unzugänglichen aber dicht besiedelten Bergregion um Chucruz zu engagieren. Die Mitglieder Miradors wünschen eine Stärkung der Position der lokalen Indigenen und langfristig eine größere Selbstbestimmtheit der Einwohner, insbesondere der Frauen von Chocruz. Dieses Ziel soll vor allem unter Einbeziehung partizipatorischer Maßnahmen im Prozess der Errichtung und Inbetriebnahme der Notfall- und Schwangerenklinik in dem Ort erreicht werden.

Geographie     

Guatemala liegt in Zentralamerika und wird im Norden von Mexiko und im Süden und Südosten von Honduras und El Salvador begrenzt. Im Osten grenzt es an Belize sowie an den Golf von Honduras. Im Südwesten verfügt es über eine lange Küste am Pazifik. Das Relief der südlichen Landeshälfte ist durch die bis zu 4.300 Meter hohe Nordamerikanische Kordillere geprägt. Diese ist alpidisch und zeichnet sich besonders in Zentralamerika durch starke vulkanische und seismische Aktivitäten aus. In der nördlichen Landeshälfte erstreckt sich ein weites Tiefland.

Klima, Böden und Vegetation

Vor allem im Flachland herrschen ganzjährig feuchttropische Bedingungen, wobei vor allem der Küstenstreifen zum Pazifik hin mit seinen vulkanischen Böden als besonders fruchtbar gilt. Im nördlichen Landesteil befinden sich hingegen ausgedehnte Regenwälder, welche eine sehr hohe Artenvielfalt aufweisen. Agrarwirtschaft wird hier vor allem in Form von Brandrodungswanderfeldbau betrieben, um die Regeneration der sehr nährstoffarmen Böden zu gewährleisten. Das Hochland ist im Auslauf zum nördlichen Tiefland sehr trocken und durch Savannenvegetation, stellenweise aber auch durch Mischwälder geprägt. In der südlichen Hochland- und Gebirgsregion herrschen feuchte, kalttropische Klimate vor, welche gute Bedingungen für die Landwirtschaft schaffen.

Bevölkerung

Entsprechend der klimatischen Voraussetzungen ist die Bevölkerungsdichte in den niedrigen Regionen des südlichen Gebirgs- und Hochlandes sowie an der Pazifikküste am höchsten. Ein Großteil der etwa 14 Millionen Guatemalteken lebt in der Hauptstadt Guatemala City, welche mit offiziell 1,5 Millionen Einwohnern die größte Stadt des Landes ist. Sie liegt im südlichen Teil Guatemalas mitten in der Zentralamerikanischen Kordillere. Etwa die Hälfte aller Guatemalteken ist europäischer Abstammung oder hat zumindest einige Vorfahren europäischer Herkunft. Weitere 40 Prozent sind Indigene, zumeist Maya. Auf die restlichen 10 Prozent einfallen verschiedene Minderheiten, wie die der in Guatemala lebenden Kariben und Afroamerikaner sowie die asiatisch stämmigen Garifuna. Gesprochen wird vor allem Spanisch, wobei weitere sieben Sprachen offiziell anerkannt sind, darunter auch Quiché. Allerdings gibt es im Land weit über 50 verschiedene Sprachen, wobei allein die Hälfte diverse Mayasprachen und -idiome sind. Deren Nichtanerkennung bedeutet, dass eine große Zahl von Minderheitensprachen und damit auch die mit ihnen verbundenen Sprecher und deren Kultur von Staatsseite ausgegrenzt werden.

Ökonomie     

Guatemala ist sozio-kulturell, vor allem aber ökonomisch sehr heterogen. Es gibt eine relativ breite wohlhabende urbane Mittelschicht aber auch sehr ausgeprägte Armut vor allem auf dem Land und im periurbanen Raum. Etwa 56 Prozent der Guatemalteken lebt unterhalb der Armutsgrenze, wobei davon in erster Linie Indigene betroffen sind. Ihren Existenzunterhalt sichern die meisten Indigenen durch Subsistenzwirtschaft oder in der Agrarexportwirtschaft. Für die Wirtschaft des Landes sind des Weiteren auch eine mäßig ausgeprägte Industrie sowie immer mehr der Tourismus von Bedeutung.

Projektstandort der Clinica in Chocruz, Guatemala

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Der selbsttragende Betrieb einer Einrichtung, die der Bevölkerung in und um Chocruz eine medizinische Grundversorgung sowie Informationen über Gesundheit, Hygiene und Familienplanung anbietet, ist das Ziel des Projektes.

Die medizinische Grundversorgung umfasst die Vorsorge von Krankheiten z.B. durch  Impfungen und die Behandlung der typischen Krankheitsbilder. Dazu werden Medikamente und medizinisches Personal bereitgestellt. Ziel ist es langfristig die Gesundheitssituation in der Projektregion zu verbessern und die Schwangeren- und Kindersterblichkeit zu senken.

Informationsveranstaltungen in der Klinik haben die Ziele, die Bevölkerung über medizinische Themen zu informieren und für medizinische Einrichtungen und Behandlungen zu sensibilisieren. Besonders Frauen und gegebenenfalls auch  Männern bieten Informationsveranstaltungen die Möglichkeit der Familienplanung sowie der Beratung zu Verhütungsmöglichkeiten. Aber auch Themen wie Ernährung, Hygiene und und biologische Zusammenhänge sind Bestandteile der Informationsveranstaltungen.

Studenten der Hochschule Anhalt waren in der Planung und vor allem in der Umsetzung des Projektes maßgeblich beteiligt. Neben den berufspraktischen Erfahrungen bedeutet die Teilnahme an einem derartigen Projekt für die Studenten einen enormen Zuwachs an persönlichen Erfahrungen. Besonders die Kommunikation und Zusammenarbeit mit den Einheimischen fördert den interkulturellen Austausch.

Die für die Behandlungen und Medikamente anfallenden Kosten werden von Mirador getragen. Nach Gesprächen mit ansässigen NGOs werden die Patienten an den Kosten für die  Medikamente beteiligt, da dies eine Garantie dafür ist, dass verordnete Medikamente auch eingenommen werden. Auf Grund der Mittellosigkeit der Bevölkerung werden auch Sachwerte (wie Eier und Mais) oder Dienstleistungen (Mitwirken beim Ausbau der Station) in Betracht gezogen.

2013: Vorortrecherche für den Bau der Versorgungsanlage

Guatemala

Seit der Errichtung der Geburten- und Gesundheitsstation im  Jahre 2012 unterstützen die Mitglieder des Mirador e.V., aber auch Firmen und Privatspender aus der Region Leipzig die Unterhaltung der Geburten- und Gesundheitsstation. Um die laufenden Kosten für diese Einrichtung zu minimieren und die Qualität der Betreuung für die ansässige Bevölkerung zu optimieren stellte Mirador e.V. einen Förderantrag bei der Sächsischen Jugendstiftung. Mit einem sehr überzeugendem Konzept eroberte der Verein die Herzen der Schülerinnen und Schüler einer Jugendjury.
Schüler und Schülerinnen aus Sachsen arbeiten jährlich einmal freiwillig in Unternehmen und spenden ihr „Gehalt“ für soziale Projekte.
Nach der gewonnen Zusage der Sächsischen Jugendstiftung zur Finanzierung des erarbeiteten Konzeptes konnten sich die Studierenden der Hochschule an das Werk begeben.
Um die Nachhaltigkeit der Krankenstation zu gewährleisten wurde nicht nur die Unterstützung bei den Gehältern der Mitarbeiter konzipiert, sondern auch die Minimierung der Stromkosten und die Sicherung der Wasserversorgung.
Nach einer obligatorischen Vorortrecherche wurden Wasserqualitäten verschiedener Wasserquellen am Standort untersucht. Die zukünftige Baustelle, welche sich wieder im Bereich des Schulgeländes befand wurde für weitere Planungen vermessen sowie die am Projekt Beteiligten in die beabsichtigten Maßnahmen involviert. Mit rund zwei Jahren umfangreicher Planungszeit, konnten eine Pflanzenfilteranlage, ein Wasserspeichergebäude sowie eine Solarstromanlage in nur drei Monaten realisiert werden.