Evaluierung zur Erweiterung einer Krankenstation in Äthiopien

Äthiopien gehört nach wie vor zu den ärmsten Ländern der Welt, das geschätzte Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung liegt bei etwa 370 US-Dollar jährlich. Ein Großteil der Bevölkerung lebt in extremer Armut. Hauptprobleme des Landes sind neben den Folgen des jahrzehntelangen Bürgerkriegs vor allem die immer wiederkehrenden Dürren, die zu Missernten führen, und das hohe Bevölkerungswachstum von rund 3 % – dies sind auch die Gründe für die häufigen Hungersnöte trotz der in den vergangenen Jahren verhältnismäßig guten Ernten. Das Land ist in hohem Maße von ausländischen Geldgebern und Hilfeleistungen abhängig.

Geographie     

Die Demokratische Republik Äthiopien ist ein Binnenstaat in Nordostafrika und mit einer Fläche von 1 127 130 km² etwa dreimal so groß wie Deutschland. Im Norden grenzt das Land an Eritrea (seit 1993 von Äthiopien abgespalten), im Osten an Dschibuti, im Südosten an Somalia, im Süden an Kenia und im Westen an den Sudan.

Äthiopiens Landschaft ist durch Hochebenen bestimmt, die den gesamten Westen und den mittleren Osten des Landes einnehmen und durch tiefe Täler gegliedert sind. Durch den Äthiopischen Graben, der Teil des ostafrikanischen Grabenbruchsystems ist, wird das Hochland in einen nordwestlichen und einen südöstlichen Teil getrennt. Im Bereich der Bruchzone handelt es sich um eine vulkanisch aktive Region mit einer Reihe von abflusslosen Seen, die größten sind der Stefanie- und der Abayasee. Im Norden Äthiopiens liegt die höchste Erhebung des Landes, der Ras Daschan mit 4 620 m. Weitere Viertausender sind z.B. der Talo (4 413 m) und der Batu (4 321 m).

In Richtung Westen fällt das Hochland zum Sudan hin steil ab, in Richtung Südosten geht es über in die Tiefebene Ogaden. In Richtung Nordosten öffnet sich der Graben trichterförmig zur Denakil-Tiefebene (tiefster Punkt Kobar Sink 116 m unter dem Meeresspiegel), die sich bis zum Roten Meer erstreckt.

Zahlreiche Flüsse durchfließen das Hochland: Die größten sind der Abbai Blauer Nil) und der Wabe Shebele. Demgegenüber gibt es in den Tiefebenen kaum Wasserläufe. Die Hauptstadt Addis Abeba liegt zentral im Landesinneren auf einer Höhe von rund 2 400 m.

Bevölkerung

Insgesamt leben geschätzte 79 Millionen Menschen in Äthiopien, die über 80 verschiedenen Ethnien angehören. Größte Bevölkerungsgruppe sind die Oromo mit etwa 40 % und die Amhara mit 32 % Anteil an der Gesamtbevölkerung. Weitere Volksgruppen sind z.B. Tigre (9 %), Sidamo, Somali, Afar, Gurage. Die Bevölkerungsdichte ist mit rund 66 Einwohnern pro Quadratkilometer dünn. Die mit Abstand größte Stadt des Landes ist die Hauptstadt Addis Abeba mit rund 3 Millionen Einwohnern. Weitere größere Städte sind Dire Dawa (280 000 Einwohner), Gonder (195 000) und Nazret (230 000).

Die beiden größten religiösen Gemeinschaften sind die Anhänger des Islam (knapp die Hälfte der Gesamtbevölkerung) und die Angehörigen der äthiopisch-orthodoxen Kirche (35-40 %). Ca. 10 % sind Anhänger von Naturreligionen. Es gibt auch kleinere Gruppen von Hindus, Sikhs und Juden. Die Amtssprache in Äthiopien ist Amharisch, Englisch ist als Handels- und Bildungssprache üblich, ebenso Französisch und Italienisch. Je nach Volksgruppe werden auch semitische und kuschitische Sprachen gesprochen (z.B. Orominga, Tigrinja, Guaraginga, Somali), teilweise auch Arabisch. Insgesamt gibt es über 70 Stammessprachen.

Das Bevölkerungswachstum ist mit über 3 % sehr hoch, allerdings ebenso die Kindersterblichkeit (fast 10 %) auf Grund der völlig unzureichenden medizinischen Versorgung. Die Lebenserwartung liegt bei durchschnittlich 55 Jahren. Der Anteil der Analphabeten an der Bevölkerung wird auf knapp 60 % geschätzt.

Ökonomie     

Äthiopien hat nach dem Fall des Derg-Regimes 1991 einen langen Weg von der Umstellung einer marxistischen Planwirtschaft auf eine offenere Wirtschaftsform hinter sich.

Bedeutendster Wirtschaftssektor ist die Landwirtschaft, hier werden 42 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erwirtschaftet, ca. 80 % aller Erwerbstätigen sind hier beschäftigt und rund 60 % des gesamten Exports werden durch landwirtschaftliche Produkte abgedeckt. Wichtigster Exportartikel ist Kaffee; der Einbruch der Kaffeepreise schadete der äthiopischen Wirtschaft massiv. Weiter werden Hirse, Weizen, Gerste, Mais, Kartoffeln, Zuckerrohr und Gemüse angebaut. Beim Anbau und Export von Blättern des Qat-Baums, die ein beliebtes Rauschmittel sind, ist das Land führend. Die Viehzucht ist bedeutend, vor allem werden Rinder, Schafe und Ziegen gehalten.

Der industrielle Sektor ist nur mäßig entwickelt und trägt 13 % zum BIP bei, rund 7 % aller Erwerbstätigen sind hier beschäftigt. Ein Großteil der industriellen Betriebe (Nahrungsmittelverarbeitung, Getränkeherstellung, Textilherstellung, Chemie- und Metallindustrie) sind im Großraum um die Hauptstadt Addis Abeba angesiedelt.

Neben Kaffee werden hauptsächlich Lederprodukte, Gold und Qat exportiert. Die wichtigsten Export-Handelspartner sind Deutschland, die VR China und Somalia. Importiert werden nach Äthiopien vor allem Erdöl, Industriezubehör, Konsum- und Investitionsgüter. Als Handelspartner ist hier die VR China führend vor Saudi-Arabien und Indien.

Der Tourismus gewinnt aufgrund entsprechender Bemühungen seitens der Regierung an Bedeutung.

Währung ist der Birr (= 100 Cents).

Quelle: www.laender-lexikon.de/Äthiopien

 

Projektstandort des Health Centers Biyo-Gibby (staatlich),  Äthiopien

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Absicht ist es am Projektort Health Center Biyo folgende Problemstellungen zu lösen:

  1. Verringerung der hohen Mutter- und Kindersterblichkeit
  2. Unterstützung des „Health Centers“ um auf das nächste Niveau („Hospital“) zu gelangen

 

Im Jahre 1983 waren das Missionsehepaar Gerhard und Edith Bössler zum ersten Mal in der Projektregion der Gudjis bei Biyo aktiv. Die schon seit 1973 in Äthiopien ansässige Familie mit vier Kindern setzten hier viele Wasser-und Straßenbauprojekte um. Auch für die Bereitstellung einfacher medizinischer Hilfe für die Menschen in der Region haben sie gesorgt.

 

1986 errichteten die Familie Bössler unter Unterstützung von tatkräftigen Mitgliedern christlicher Gemeinden aus Deutschland die bis heute existierende ambulante Krankenstation und eine Missionsstation. Später wurde die Krankenstation von der Regierung übernommen und sorgte für den Bau weiterer Funktionsgebäude um eine umfangreichere Gesundheitsvorsorge in der sehr schwach entwickelten Region zu bieten. Mit diesem räumlichen, technischen und materiellen Upgrade bekam die Krankenstation den Status eines in Äthiopien standardisierten „Health Centers“. Nun verfügte das neue Health Center über vollausgestattete Räume zur Untersuchung, Behandlung und Verwaltung von Patienten, Lagerung von Medikamenten, Bedienung eines Labors und zur Führung einer Geburtenstation. Am Rande des Health Centers befindet sich eine Quarantänestation für stark ansteckende Krankheiten und ein baulich noch nicht vollendetes Lager für Malariamedikamente.  Seither arbeitet neben dem leitenden Direktor ein dreiköpfiges Pflegepersonal in diesen Einrichtungen. Ein praktizierender Arzt ist nicht vor Ort.

Trotz der medizinischen Verbesserung klagen die Bewohner in der Projektregion über schlimme Probleme. Als die Krankenstation von der Regierung erweitert wurde, war es unter der Bevölkerung noch allgegenwärtig Kinder im eigenen Zuhause auf die Welt zu bringen. Dies hatte eine sehr hohe Mutter- und Kindersterblichkeit zur Folge. Mit fortschreitender Zeit schaffte es das Gesundheitsministerium, unter stetiger Gesundheitsinformation, werdende Mütter in die äthiopischen Krankenhauseinrichtungen zu lenken und auf die medizinische Begleitung aufmerksam zu machen. Auch das Personal des Health Centers in Biyo informierte regelmäßig mit unterschiedlichen Veranstaltungen. Immer mehr Frauen in der Projektregion nutzten nun das Angebot in der Geburtenstation zu gebären. Auch weit entfernt lebende Familien erfuhren von dieser Möglichkeit im Health Center. Da es sich hierbei leider um ein riesiges Einzugsgebiet handelt, nehmen die Frauen kilometerlange Fußmärsche auf sich. Dabei kam es des Öfteren vor, dass Frauen auf dem Weg gebaren. Die in der Zwischenzeit fehlende Anwesenheit der Mutter ist in der Familienorganisation kein Problem.

Einen Raum zur medizinischen Nachsorge für Mutter und Kind gibt es nicht, sie verlassen die Geburtenstation wenige Stunden nach der Geburt.

Situation ist, dass viele werdende Mütter das Angebot zur medizinisch begleiteten Entbindung des Health Centers in Biyo nicht nutzen können, da der Weg von ihrem Wohnort zur Klinik zu lang ist und im vorgeburtlichen Zustand nicht zurückgelegt werden kann. Entsprechende Transportmöglichkeiten gibt es nicht.

Mittlerweile befindet sich das Health Center in einem sehr betagten Zustand und eine Renovierung ist zwingend notwendig um saubere Arbeitszustände auch in Zukunft zu gewährleisten. Die Leitung und das Pflegepersonal, aber auch die Besucher des Health Centers hoffen auf eine Verbesserung der Lage durch ein erneutes Upgrade des staatlichen Standards auf die Stufe „Hospital“.

 

Unter anderen mit flogenden Fragen beschäftigten die Projektbeteiligten während der Evaluation:

  • Wieviele Menschen wohnen in der Projektregion?
  • Haben wir Beispiele und Belege für das Problem? (Zeitungsartikel, Stellungnahmen des Health Center Personals, Einschätzungen anderer Organisationen)
  • Politische/rechtliche/ökonomische/soziokulturelle Situation in der Projektregion
  • Gibt es in der Region Projekte mit ähnlichen Zielsetzungen, gibt es zu diesen Projekten Kontakte, findet ein Erfahrungsaustausch statt?
  • Ist Aids ein Problem im Projektgebiet und wird dies gegebenenfalls in der Projektkonzeption berücksichtigt?
  • Wird die Situation von Frauen und Männern im Projektumfeld differenziert berücksichtigt?
  • Wer konkret ist von dem Problem bzw. von der Situation betroffen?
  • Durchschnittliche Anzahl der Geburten in der Geburtenstation pro Monat?
  • Durchschnittliches Alter der Schwangeren?
  • Bildungsstand?

 

Die beschriebene Zielgruppe wurde während der Evaluation bzw.Vorortrecherche vom 17.04. – 29.04.2017 in die Planungen mit einbezogen. Es fanden Planungsbesprechungen auf lokaler und gemeindlicher, ministerialer und kirchlicher Ebene statt. Es wurden keine Gespräche unter Ausschluss einer bestimmten Ebene geführt.